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Twitter: Der 13. Februar in #Dresden – “So etwas gab’s noch nicht”

Andreas Szabó 12

Der 13. Februar 2010 war für Dresden aus vielen Betrachtungswinkeln ein bemerkenswertes Datum. Der größte Neonazi-Aufmarsch Europas wurde erstmals blockiert. Sowohl bürgerlicher stiller Protest in Form einer Menschenkette, als auch aktive überwiegend friedliche Blockade gingen Hand in Hand. Zentrales Informationsmedium wurde dabei für viele Aktivisten der Kurznachrichtendienst Twitter.

Das bestimmende Thema des Tages

Statistik von Twicker.net zum 13. Februar 2010
Screenshot: Twicker.net
Die Hashtags #Dresden und #13Februar beherrschten den Nachrichtenfluss an diesem Tag bei Twitter. Wie die Statistik von Twicker.net belegt, wurden nur #Olympia und #DSDS (#RTL) noch häufiger genutzt. Die Grafik zeigt, dass insbesondere am Nachmittag in der kritischen Phase kurz vor Abbruch der rechtsextremen Demonstration #Dresden und #13Februar den Nachrichtenstrom beherrschten. Pro Stunden wurden mehrere Hundert Tweets mit den beiden Hashtags verfasst.

Gerüchte und gezielte Desinformation

Neben vielen aktuellen Meldungen direkt von den Brennpunkten, wurden via Twitter auch immer wieder Gerüchte oder sogar gezielt Desinformationen verbreitet. Durch unreflektierte, rasche Retweets wurden entsprechende Meldungen verbreitet – ebenso schnell aber auch meist dementiert. Trauriger Höhepunkt waren wiederholte Meldungen eines Todesopfers – trotz schneller Dementi hielten sich solche und ähnliche Gerüchte immer wieder hartnäckig (übrigens auch in anderen Variationen im Pulk der Neonazis am Bahnhof Neustadt).

Verifizierung von Accounts und verlässliche Quellen notwendig

Sehr frühzeitig wurde vor Falschinformationen bei Twitter gewarnt. Darüber hinaus wurde auch vorgesorgt, indem allgemein anerkannte verlässliche Quellen wie @netzpolitik auf die Idee kamen, auf zuverlässige Accounts und Quellen vor Ort hinzuweisen. Und so wurden über Twitter auch Blockaden organisiert, es wurde darauf hingewiesen, wo noch Verstärkung von Nöten ist, wie der aktuelle Sachstand bei den Demonstrationen ist, wo sich Rechtsextreme Gruppen aufhalten. Accounts von Aktivisten wie der „offizielle“ @13februar lieferten beständig Informationen. Auch die Vorfälle am AZ Conni fanden so schnell den Weg in die etablierten Medien, da auch via Twitter sofort Öffentlichkeit hergestellt wurde

Verifizierung und Falsifizierung von Informationen

Daneben lieferten auch die lokalen Medien wie @szonline,@dresdennews und @radiodresden verifizierte Informationen via Twitter. Dabei wurde für die journalistische Arbeit offenkundig, dass Twitter am #13februar zur gezielten Sammlung von Informationen und Bildung eines Gesamtbildes dienen kann. Neben den offiziellen Auskünften von Polizei, Stadtverwaltung oder Feuerwehr, sowie von Berichten von Reportern vor Ort, konnten via Twitter Informationen gesammelt und verifiziert bzw. auch falsifiziert werden. Dennoch muss für den Journalisten klar sein, dass jegliche Informationen von Twitter immer gegengecheckt und überprüft werden muss.

Kritik an Medien

In der aktuellen Berichterstattung gab es sowohl positive, wie auch negative Beispiele. Schnelle aktuelle Information liefert die TAZ taz mit ihrem Ticker. Auch der Stern hatte sehr rasch eine treffende Reportage online. Abends zog dann auch tagesschau.de mit einem Stück eines NDRinfo-Reporters nach (nicht vom MDR!).

„So etwas gab’s noch nicht“

Und der lokale Platzhirsch, das MDR-Fernsehen? Das sendet 123 Minuten Karnevalsumzug – live aus Wasungen unter dem Motto „So ebbes goas noch net“ – „So etwas gab’s noch nicht“. Das dachten sich wohl auch viele Twitterer, die angesichts der aktuellen Entwicklungen in ihrer Heimatstadt bei ihrem Heimatsender in die Röhre kuckten. Fairerweise muss man entgegenhalten, dass der MDR am Abend Sondersendungen und Reportagen ins Programm hob und die Geschehnisse rund um den 13. Februar abbildete.

Fazit

Mein Fazit: Dresden hat gezeigt, dass Twitter zur Organisation von Demonstrationen und Blockaden ein mächtiges ergänzendes Werkzeug sein kann. Auch zur Verbreitung von aktuellen Zwischenfällen und Informationen hat Twitter am 13. Februar seine Stärken gezeigt, auch wenn die Nachrichtenflut zeitweise kaum Überblickbar war. Desinformation und Gerüchte sind ein echtes Problem. Überprüfen, Gegenchecken, vor Ort recherchieren ist unerlässlich.

  1. […] Twitter als Medium Veröffentlicht in Wahrnehmen und bloggen | Schlagworte: 13februar, dresden, nazi, […]

  2. kami kami

    Erwähnenswert ist vlt auch, dass vereinzelt Polizisten gesichtet wurden, die den Twitterstream zu Dresden verfolgten.

  3. […] zur Organisation von Demonstrationen und Blockaden ein mächtiges ergänzendes Werkzeug sein kann.Andi Szabo über Koordination per Twitterauf dem weg richtung altstadt kamen wir noch an ein bis zwei abgebrannten barrikaden und um […]

  4. Willst du nicht auch noch die taz taz nennen? Oder war die für dich nicht relevant in diesem Kontext?

  5. Die meisten falschen Gerüchte leißen sich einfach enttarnen: Urheber anklicken und sehen “1 Tweet 0 Follower” das sollte reichen, wenn da nicht viele neuen Twitterer währen die z.B. Tweets ohne RT retweeten.

    In Zukunft sollten sich Leute die z.B. von vor ort berichten nicht erst am Tag selber das erste mal mit twitter befassen.

    Eine gute Art der Verifizierung bieten Dienste wie Twitpic, einfach ein Foto vom geschehen machen.

  6. Interessant ist auch, dass die Hashtags der Nazis (#gema; #gedenkmarsch u.ä.) ab ca. 15.30 bis 16 Uhr zugespammt wurden. Natürlich automatisiert und dann tatsächlich zu nix mehr zu gebrauchen. So gabs es nicht nur die Blockadestellen in Dresden, sondern auch eine kleine Blockade im Netz.

  7. Siegbert Huhn Siegbert Huhn

    @Hans
    Auch dafür herzlichen Dank!
    Wie auch an alle UnterstützerInnen von außerhalb, die den ‘Erfolg vonDresden’ möglich machten.

  8. Wow – ich wusste gar nicht, dass Twitter so einen Einfluss haben kann. Schönes Mittel, seine Mitbestimmung neumodisch auszudrücken.

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