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Was müssen Influencer bei Werbung und Kooperationen beachten?

Andreas Szabó 0

Zuletzt aktualisiert am 21. Dezember 2019

Die Frage, was Influencer bei Werbung und Kooperationen beachten müssen, will jetzt der neue Bundesverband Influencer Marketing (BVIM) zusammen mit der Universität Leipzig angehen. Ein neuer “Ethik-Kodex” – also freiwillige unverbindliche Hinweise – ist jetzt aufgestellt und veröffentlicht worden.

Denn: Influencer Marketing benötigt nach Vorstellung der Initiatoren “Leitlinien und ein einheitliches Verständnis zum Thema Ethik”. Deswegen wolle man “die ersten Impulse für einen verantwortungsvollen Umgang setzen.”

Gerichte urteilen bei Werbe-Kennzeichnung unterschiedlich

Mehrere Gerichtsverfahren und Entscheidungen in 2019 haben gezeigt, dass Influencer aktuell bei Markennennungen und Verlinkungen, also Werbung, einiges beachten müssen. Am besten ist also bei Verlinkungen oder Markenerwähnung: geh auf Nummer sicher, selbst wenn kein Geld geflossen ist oder du keine Produkte erhalten hast. Eine Kennzeichnung als “Werbung” oder “Anzeige” sollte im Text und Bild/Video erfolgen. Umstritten ist noch, ob die neue Instagram-Funktion “bezahlte Partnerschaft” als Kennzeichnung ausreichend ist.

Der Fall Cathy Hummels

Cathy Hummels erzielte 2019 dagegen vor Gericht einen Erfolg, muss nicht jeden Post als Werbung kennzeichnen, wenn kein Geld geflossen ist. Das entschied das Landgericht München. Das Gericht begründet das mit der hohen Followerzahl von Cathy Hummels, da sei jedem klar, dass es sich um einen kommerzielle Zwecke handle. (Az. 4 HK O 14312/18)

Der Fall Vreni Frost

In einem anderen Fall der Bloggerin Vreni Frost wurde dagegen die redaktionelle Leistung der Bloggerin bei einem Post hervor gehoben, die mit ihrem Beitrag zur Meinungsbildung beiträgt und deswegen den Beitrag bei Insta nicht als Werbung kennzeichnen muss. Das Kammergericht Berlin argumentierte: “Weltanschauliche, wissenschaftliche, redaktionelle oder verbraucherpolitische Äußerungen von Unternehmen oder anderen Personen, die nicht in funktionalem Zusammenhang mit der Absatz- oder Bezugsförderung stünden, würden nicht dem UWG unterfallen.” UWG steht für “Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb”. Und weiter heißt es: “Berichte über Modetrends seien nicht weniger schützenswert als Berichte über gesellschafts- und tagespolitische Themen.” Bei zwei anderen abgemahnten Beiträgen sahen die Richter dagegen Werbung, die gekennzeichnet werden muss. (Kammergericht Berlin, Aktenzeichen 5 U 83/18, Urteil vom 08. Januar 2019)

Der Fall Pamela Reif

Und zu allem Überdruss kassierte die Fitness-Bloggerin Pamela Reif (mit über 4 Millionen Followern eine der größten Influencerinnen in Deutschland) eine Niederlage vor Gericht in Karlsruhe. Dort waren die Richter der Ansicht, dass man von jedem Beiträgen über zwei Klicks zu den Profilen ihrer Werbepartner komme und deswegen alles als Werbung gekennzeichnet werden müsse. (Az. 13 O 38/18 KfH). Die endgültige Entscheidung in dem Fall steht allerdings noch aus.

Was Influencer also bei Werbung beachten sollten

Wer bei Instagram Marken oder Produkte regelmäßig verlinkt, der sollte aktuell dennoch auf Nummer sicher gehen und als “Werbung” kennzeichnen. Inzwischen machen viele Influencer das pauschal für alle Beiträge, egal ob Werbung oder nicht. Gewonnen wird damit natürlich nichts, außer eine gewisse Rechtssicherheit. Wer es ganz genau wissen will, die Landesmedienanstalten haben einen gemeinsamen Leitfaden veröffentlicht (natürlich auch als PDF – das ist bei Verbandsmenschen offenbar beliebt…), wie und wann Posts in Social Media gekennzeichnet werden müssen.

Handlungsempfehlungen für Influencer von Verband und Uni

Der Verband und die Uni Leipzig haben mehrere lange PDFs (!), eher weniger sexy, aber dafür sehr umfangreich veröffentlicht mit Hinweisen für Influencer, Unternehmen und Agenturen:

Diese 10 Regeln sollten sich dieser Meinung nach unterwerfen:

  1. InfluencerInnen handeln eigenständig.
  2. InfluencerInnen handeln transparent.
  3. InfluencerInnen handeln aufrichtig.
  4. InfluencerInnen handeln wahrheitsgetreu.
  5. InfluencerInnen tragen Fürsorge für schutzbedürftige oder benachteiligte Personengruppen.
  6. InfluencerInnen handeln professionell.
  7. InfluencerInnen pflegen einen wertschätzenden Umgang miteinander.
  8. InfluencerInnen gehen respektvoll miteinander um.
  9. InfluencerInnen verhalten sich loyal gegenüber einander.
  10. InfluencerInnen handeln verantwortungsvoll

Die “Bad Boys” wird das Thema kaum erreichen

Meine persönliche Meinung: selbst bei diesen eigentlich ganz einleuchtenden Regeln für ein vernünftiges Miteinander würde der eine oder andere prominente Influencer oder Youtuber mit Millionenreichweite schon scheitern. Und Selbstverpflichtungen oder Regeln eines Verbandes werden die sich vermutlich niemals unterwerfen.

Aber: gut, dass jemand die Debatte, die bisher nur vor einigen Gerichten Thema ist, nun auch wissenschaftlich begleitet und unterfüttert.

Warum ein Ethik-Kodex für Influencer, Unternehmen und Agenturen?

Die Entwickler des Ethik-Whitepapers (Achtung, klar PDF ;-) fassen die Gründe so zusammen:

“Influencer-Kommunikation stellt eine neue Form der öffentlichen und eben auch der strategischen Kommunikation dar. Ihre Besonderheit: Social-MediaInfluencerInnen bewegen sich an der Schnittstelle von drei eigenständigen Kommunikationsbereichen: Journalismus, Marketing und Public Relations. Diese drei Bereiche besitzen ihre je eigenen (berufs-)ethischen Standards – die sich aber zum Teil widersprechen. Damit nicht genug: Die Funktionskonstellationen, in denen sich InfluencerInnen, Organisationen und MittlerInnen bewegen, führen zu weiteren, Branchen-eigenen Problemstellungen (z.B. Fake FollowerInnen, Kinder-InfluencerInnen). InfluencerInnen, Organisationen und MittlerInnen stellt sich daher immer wieder die Frage, wie sie in ihrem Berufsalltag nicht nur rechtlich, sondern auch moralisch angemessen handeln können. Ethikkodizes bieten hierfür eine Lösung: Sie fassen die zentralen Werte und Richtlinien für die AkteurInnen der
Branche zusammen.”

Für die Erstellung des Papiers haben die Macher 65 andere Ethikkodizes ausgewertet. Zudem haben sie 28 Experteninterviews geführt und qualitativ ausgewertet. Demnach haben sie auch neun Influencer befragt. Welche Influencer das sind, will der Verband nicht mitteilen (siehe Interview am Ende des Textes).

Instagram kein rechtsfreier Raum

Was Influencer also bei Werbung und Kooperationen beachten müssen: wer Geld für Postings bekommt, muss das immer kennzeichnen. Wer Produkte gratis erhält, muss das transparent machen (also Kennzeichnung als Werbung). Wer haupt- oder nebenberuflich als Influencer oder Creator arbeitet, sollte einen Experten fragen und im Zweifelsfall besser zu viel, als zu wenig als Werbung kennzeichnen. Denn eine Abmahnung oder Unterlassungsverfügung kann schnell auf dem Tisch sein, wenn die Fanzahlen wachsen.

Das sagt der Bundesverband zu meinen Fragen zu Werbung von Influencern

Ich habe dem Bundesverband ein paar Fragen zu dem Ethik-Kodex gestellt. Welche Influencer konkret beteiligt waren, wollte der Verband nicht beantworten. Das teilte Verbandschef Stefan Doktorowski vom Bundesverband Influencer Marketing auf meine Fragen zum Thema schriftlich mit:

1.) Welche Influencer sind in die Entwicklung des Kodex mit eingebunden worden?
Der Kodex wurde auf Basis von zwei empirischen Teilstudien entwickelt: einer Inhaltsanalyse bestehender Kodizes und einer Expertenbefragung. Im Rahmen der Inhaltsanalyse wurden 65 Kodizes aus den Bereichen Marketing, Werbung, PR, Journalismus, Online- und Social-Media-Kommunikation nach bestehenden Problemfeldern und übertragbaren Lösungsansätzen untersucht. Im Zuge der qualitativen Befragung wurden insgesamt 28 Influencer, Unternehmens- und Agenturvertreter als Experten zu aktuellen Problemfeldern und Lösungserwartungen in der Influencer-Branche befragt. Die Teilnehmer der Befragung wurden im Rahmen der wissenschaftlichen Arbeit anonymisiert.

2.) Gab gibt es innerhalb der “Szene” bereits Ablehnung, Kritik, Widerspruch?

Der Kodex soll als Grundlagenpapier dienen und die verschiedenen Teilnehmer der Branchen zur Diskussion anregen.  Eine Aktualisierung dessen auf Grundlagen von Rückmeldungen der „Szene” ist natürlich wünschenswert. Eine negative Reaktion der Szene ist uns bis zum heutigen Datum nicht bekannt.

3.) Soll der Kodex nur eine Debatte anstoßen, zur Selbstverpflichtung werden oder langfristig auch rechtlich bindend sein?

Der Ethikkodex Influencer-Kommuikation ist als Grundlagenpapier zu verstehen. Dieser soll bei Bedarf in regelmäßigen Abständen aktualisiert werden. Darüberhinaus wird der Kodex als Diskussionsbasis für sämtliche Akteure der Kommunikations- sowie Werbewirtschaft verstanden welche sich mit dem Thema Ethik innerhalb der Influencer Kommunikation auseinandersetzen. Die Einrichtung eines Code of Conduct Influencer Marketing Ethik und eines Ethik Gremiums soll 2020 final abgeschlossen werden.

Langfristig plant der Verband demnach eine Art Zertifizierung.

4.) Können sie konkrete Hinweise geben, wie Kennzeichnungen in Social Media aussehen müssen? Das Cathy Hummels-Urteil hatte nicht gerade zu Rechtssicherheit beigetragen…

Wir empfehlen im Rahmen unserer Arbeit die jeweils aktuellen Leitfäden der Landesmedienanstalten sowie der Wettbewerbszentrale.

5.) Wie bewerten Sie die aktuell gelebte Praxis, dass nun eben alles als Werbung gekennzeichnet wird?

Eine Überkennzeichnung als Werbung entspricht der aktuellen Gesetzgebung genauso wenig wie ein Verzicht auf vorgegebener Kennzeichung von Werbung. Dieses kann unserer Meinung nach genauso eine Irreführung der Konsumenten zur Folge haben. Wir raten dringend von einer Überkennzeichnung der eigenen Beiträge ab. Mittlerweile gibt es Im Justizministerium Überlegungen für ein Gesetz, das eine klare Kennzeichnung vorschreiben soll, wann eine Veröffentlichung im Internet Werbung ist. Das Vorhaben zielt auf Influencer ab. Der Bundesverband Influencer Marketing e.V. begrüßt diese Entwicklung und spricht sich auch hier für verständliche und anwendbare Gesetze aus.

Auch der Flurfunk berichtet zum Thema, er hat die 10 Punkte mit Zitaten aus den Folien angereichert.

Mich würde Eure Meinung interessieren: braucht Influencer Marketing einen Ethik-Kodex? Schreibt es in die Kommentare oder diskutiert beim nächsten Workshop mit mir.

Transparenzhinweis: ich berate Unternehmen, Behörden und Vebände auch in Sachen Instagram und was Influencer bei Werbung beachten sollten. Achtung: ich bin kein Rechtsanwalt und schildere hier meine Erfahrungswerte und verschiedene Urteile. Für eine rechtliche Beratung bitte an den Anwalt deines Vertrauens wenden!