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#Hanau – Finger weg von der Tastatur

Andreas Szabó 0

In Hanau tötet ein Rechtsterrorist 10 Menschen und sich selbst, im Web kursiet ein 24-seitiges Schreiben (PDF), sowie ein etwa einstündiges Video und ein offenbar “optimiertes” auf etwas über eine Minute zusammengeschnittenes kurzes Video. Beides strotzt vor Verschwörungstheorien und rassistischen Thesen. Beides macht im Web die Runde, obwohl die Homepage des mutmaßlichen Täters schnell abgeschaltet wurde, zum Beispiel in 4Chan-Boards.

Spekulationen zu Hanau landen sogar beim Hessischen Rundfunk

Insbesondere bei Twitter, aber auch bei Facebook und per WhatsApp-Weiterleitungen machten noch am Tatabend wilde Spekulationen die Runde. Der Hessische Rundfunk berichtet zeitweise sogar von einem dritten Schauplatz von Schüssen, muss sich dann aber wenig später selbst korrigieren (mehr dazu unten). Gleichzeitig warnen Accounts mit großer Reichweite vor Spekulationen. Auch die Polizei steigt nach und nach proaktiv ein, vor Gerüchten und falschen Behauptungen zu warnen.

Die Polizei Südosthessen hat in dieser Nacht bei Twitter sehr gute Arbeit geleistet, hat auf allen Anfragen passende Antworten formuliert.

An einem Tag wie nach dem Terrorakt in Hanau: Pratzen weg von der Tastatur

Der Tag nach dem Terrorakt in Hanau. der Ex-Chef des Deutschen Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen setzt diesen Tweet ab:

Nach dem rechtsterroristischen Anschlag in Hanau twittert Hans Georg Maaßen
Ex-Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen (Screenshot: Twitter.com)

Maaßen selbst twitterte wenig später, es habe sich um keine Reaktion auf den furchtbaren Anschlag in #Hanau gehandelt, sondern auf einen Tweet von Thilo Jung, der meinte, Gewalt sei nie links.

Der Terrorforscher Peter R. Neumann (King’s College London) brachte es zu der Thematik in einem Interview im Falter auf den Punkt:

Ich plädiere für maximale Zurückhaltung. Wenn ein Terroranschlag passiert, beginnt die Nonstop-Berichterstattung …

Pratzen weg von der Tastatur!

Er bezieht sich darauf, dass er in den ersten Stunden nach einer Tat sich gar nicht äußert, auch wenn er hunderte Interview-Anfragen bekommt, um sich erst ein genaueres Bild zu machen. Er empfiehlt das auch jedem Bürger, nicht der Versuchung zu erliegen, in Social Media sich an wilden Spekulationen zu beteiligen.

Im Falle von Hanau kursierte bereits kurz nach der Tat bei WhatsApp die Warnung vor einem Fahrzeug und dem dazugehörigen Kennzeichen.

Bei Twitter verbreitete ein Nutzer Videos einer angeblichen Festnahmen. Eine Falschmeldung. Die Polizei war dort zwar im Einsatz, Festnahmen gab es aber nicht.

Hessischer Rundfunk bringt Gerücht zu angeblichen dritten Schauplatz von Schüssen in Umlauf

Trauriger Höhepunkt war die kurzzeitige Berichterstattung durch den Hessischen Rundfunk – aufgegriffen von der Bild-Zeitung – zu einem angeblich dritten Tatort.

Zu Hanau machten schnell Gerüchte die Runde, die sogar der Hessische Rundfunk verbreitete. (Screenshot: Bild.de)
Selbst der Hessische Rundfunk verbreitete Gerüchte, aufgegriffen von Bild.de (Screenshot: Bild.de)

Diese Fehlinformation wurde schnell durch die Polizei/Staatsanwaltschaft dementiert und dann durch Deutsche Presseagentur (dpa) verbreitet und vom Hessischen Rundfunk (HR) korrigiert. In meinen Augen wurden allerdings die zunächst vom HR fälschlicherweise in Umlauf gebrachten Spekulationen, nicht ausreichend transparent korrigiert und kenntlich gemacht. Auch wenn das Dementi der Polizei hier bereits nach 30 Minuten vorlag.

Hier ist dringend eine interne Auswertung notwendig und eine tiefer gehende Schulung von Onlineredakteuren. Tweets, Gerüchte, WhatsApp-Nachrichten können ohne Gegenprüfung niemals eine Quelle für eine Nachrichtenmeldung sein. Auch nicht in Form von “sollen”, “laut Augenzeugen” oder nach “unbestätigten Informationen”. Das ist unseriös und widerspricht journalistischen Standards. Das verbreitet Angst, Panik, macht den Einsatzkräften die Arbeit schwer. Das war auch im Fall von München leidvoll zu erfahren.

Wie sollten Menschen, Medien, Behörden mit Situationen wie in Hanau umgehen? Schreib mir eine Nachricht, einen Kommentar oder diskutiere das Thema Rechtsterror und Social Media mit mir. In diesem Zusammenhang noch eine aktuelle Buchempfehlung. Karolin Schwarz hat diese Woche ein Buch zur Thematik veröffentlicht: “Von Christchurch bis Halle: Wie sich der Rechtsterrorismus neu erfindet”.