Zuletzt aktualisiert am 13. November 2022
Viele hundertausend Twitter-User wagen aufgrund der aktuellen Entwicklung einen Umstieg zu Mastodon oder melden sich dort nun zumindest für den Fall an, dass Twitter von jetzt auf gleich crashen sollte. Mastodon ist Twitter zwar in vielem ähnlich, es ist aber kein Twitter-Ersatz. Mit diesem kleinen Leitfaden zum Mastodon-Start für Twitter-Poweruser will ich dir in 5 Minuten die wichtigsten Punkte und Unterschiede zeigen.
Umstieg zu Mastodon als Twitter-Poweruser in 5 Schritten
1.) Anmeldung auf einer Mastodon Instanz
Mastodon ist dezentral organisiert. Es gibt also viele (private) Serverbetreiber, die für einen bestimmten Nutzerkreis eine Heimat bieten. Die Server kommunizieren bei Bedarf aber auch untereinander, so dass du auch über Server/Instanz-Grenzen hinweg Leuten folgen kannst und sie dir.
Deswegen ist es zu Beginn nicht ganz so wichtig, wo du dich anmeldest. Eine der größten bekanntesten Instanzen ist mastodon.social, da machst du erstmal nichts falsch. Du kannst aber natürlich auch gleich eine Instanz für dein Thema oder deine Region suchen wie zum Beispiel dresden.network. Dort auf der Website mit E-Mail-Adresse, gewünschtem Login-Namen und Passwort registrieren. Aufgrund des großen Nutzeraufkommens kann es da mal zu Wartezeiten von ein paar Stunden kommen.
Das Konzept sieht Werbefreiheit vor, Daten werden keine erhoben (abgesehen von deiner IP-Adressen, einigen Meta-Informationen, sowie deinen Login-Infos). Das Netzwerk hat keinen kommerziellen Hintergrund.
2.) Twitter-Freunde (Followings) bei Mastodon finden
Bei mir waren etwa 10 Prozent der Accounts, denen ich folge, auch bei Mastodon zu finden. Am schnellsten geht das durch einen Export und Import deiner Followings. Dabei hilft dir ein kleines externes Tool, der Fedifinder:
Du musst dem Tool einmal Lesezugriff auf deinen Twitter-Account gewähren, dann kannst du eine csv-Datei mit deinen Followings (also wem du folgst) herunterladen.
Diese csv-Datei lädts du in den Einstellungen deines Mastodon-Kontos per Import wieder hoch.
Das war es schon. Wie gesagt: Mastodon ist kein 1:1-Ersatz für Twitter. Es werden dir viele relevante Accounts fehlen. In der sächsichen Landespolitik waren nur eine handvoll Accounts bereits bei Mastodon am Start, von anderen offiziellen Stellen ganz zu schweigen. Ausnahme: die sächsische Datenschutzbeauftragte Juliane Hundert ist als Ealry-Adopter dabei. Auch Sachsens Vize-Ministerpräsident Martin Dulig ist seit einigen Tagen bei Mastodon am Start.
Experten-Modus macht Mastodon im Browser zum Tweetdeck
3.) Experten-Modus aktivieren und Timelines im Überblick behalten
Aktiviere am besten als erstes in den Einstellungen den Experten-Moduds: damit hast du im Tweetdeck-Style mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Du kannst dir dann verschiedene Timelines für Hashtag-Suchen, Direktnachrichten oder für deine persönliche chronologische Timeline oder die Timeline deines Stamm-Servers (Instanz) anheften. Es gibt sogar eine sogenannte “föderierte” Timeline, also über Servergrenzen hinweg – allerdings ist das wenig sinnvoll, wenn du über deine Follower mit vielen Instanzen verknüpft bist. Du wirst dann von Posts geflutet.
4.) Metatext-App kommt an Twitter-Feeling am ehesten heran
Am Handy kommt für mich die Metatext-App recht nah an das Feeling der Twitter-App heran. Hier einfach einloggen. Fertig. Für Android wurde Tusky empfohlen – konnte ich selbst nicht testen.
5.) Grundlegende Mastodon-Funktionen und Unterschiede zu Twitter
Wichtig: die Mastodon-Server werden von unterschiedlichsten Personen, Vereinen, Initiativen oder Firmen betrieben, können also auch mal dicht gemacht werden. Die Inhaltsmoderation ist selbst organisiert. UND: die Admins können (theoretisch) alle Direktnachrichten mitlesen. Diese sind auch nicht verschlüsselt. Teile also keine sensiblen Daten per Mastodon. (Auch bei Twitter können DMs von Mitarbeitenden gescreent werden, zudem werden diese automatisiert geprüft.)
Die Start-Oberfläche im Anfängermodus erinnert eigentlich schon ziemlich stark an die Twitter-Web-Oberfläche. Im Expertenmodus erinnert es ans Tweetdeck.
Stichwort Direktnachrichten: für mich die größte Umgewöhnung im Vergleich zu Twitter. Du hast für die Direktnachrichten mit einzelnen Personen oder Gruppen keinen eigenen “Raum”. Du kannst für jeden Toot/Tweet/Post die Sichtbarkeit festlegen. Dabei wird in 4 Dimensionen unterschieden: für alle öffentlich sichtbar, sichtbar aber nicht gelistet, sichtbar nur für Follower oder sichtbar nur für erwähnte Person, also der, der im Text per @ markiert wurde. Du drückst trotzdem auf “veröffentlichen” oder “senden” – je nachdem welches Tool oder welche Oberfläche du nutzt. Der Beitrag ist mit einem Briefsymbol oder einem @ gekennzeichnet, damit für dich als private Unterhaltung erkennbar. Wenn du die Sichtbarkeit auf nur erwähnte Person stellst, dann ist das mit der Direktnachricht von Twitter in etwa zu vergleichen.
Wenn du eine Gruppe bei Twitter hattest, müsstest du bei Mastodon alle per @ markieren und sie müssten auch immer allen per @ markierten antworten, wenn ihr in eurem geschlossenen Kreis miteinander kommunizieren wollt. Es gibt leider keine eigenen Fächer/Timelines für deine Gesprächsgruppen. Du kannst aber zumindest alle Direktnachrichten als eigene Timeline im Expertenmods anheften.
Mit dem Hashtag #neuhier kannst du dich vorstellen und Fragen stellen. Die Community ist sehr freundlich und beantwortet alle Fragen gedulig. So hab ich mich auch erstmal zum Auftakt durchgefragt, wie der Spaß eigentlich genau funktioniert.
Es gibt keinen Algorithmus bei Mastodon, deine Timeline ist immer chronologisch. Sternchen (Favs) sind zwar wie die Herzen bei Twitter, haben aber keinen Einfluss auf die Sichtbarkeit von Inhalten. Angezeigt wird dir die Anzahl auch nur, wenn du den Post extra anklickst. Durch Boosts (Retweets) können deine Beiträge verbreitet und mehr Leuten ausgespielt werden. Fremde Beiträge per Retweet zu kommentieren, diese Funktion gibt es bei Mastodon bewusst nicht. Man will nicht übereinander, sondern miteinander reden.
Teilweise ist es sogar üblich, zum Beispiel bei Threads, weitere Beiträge auf nicht gelistet zu setzen, um die Timeline der Follower nicht so zuzuspammen. Ebenso bei Antworten auf Beiträge, wenn die nicht unbedingt von allen mitgelesen werden müssen. Man pflegt einen sehr höflichen Umgangston.
Es gibt die Möglichkeit, Twitter und Mastodon miteinander mehr oder weniger zu verknüpfen, sogenanntes Crossposting. Das ist bei Mastodon teils etwas verpöhnt, ich verzichte deswegen aktuell darauf.
Auch das gezielte Verstecken von möglichen Aufreger-Themen ist eine höfliche Praxis, dafür wird die Funktion CW (Content Warning) genutzt, um zum Beispiel bei Themen wie Krieg, Gewalt, teils aber sogar Politik, einzelne Posts erstmal zu verstecken.
Wie viele Nutzer sind bei Mastodon – lohnt sich der Umstieg?
Aktuell sind 6.600.000 (6,6 Mio) Nutzer bei Mastodon (Stand: November 2022). Aufgrund des Twitter-Wirbels melden sich derzeit mehrere hundertausend Menschen pro Woche bei dem Dienst neu an.
Im Vergleich zu den 280-300 Millionen Twitter-Nutzern ist das also noch vergleichsweise klein – das Wachstum ist aber so bislang nie dagewesen.
Man spürt aktuell schon, dass sich viele Twitterer, auch prominente Namen wie Jan Böhmermann oder Jörg Kachelmann nun auch bei Mastodon anmelden.
Zudem gibt es einen entscheidenden Nachteil bei Mastodon: eine vernünftige globale Suchfunktion über Instanzen hinweg gibt es nicht. Auch globale Trends gibt es nicht.
Es ist also nicht so leicht möglich Trends und aktuelle Ereignisse vom anderen Ende der Welt zu verfolgen und dazu zu recherchieren. Du musst im besten Fall dann die Instanz kennen, auf der es Infos zu deinem Thema zum Suchen gibt. Als Recherche-Tool, zum Social Listening und News-Liveticker eignet sich Mastodon also nur bedingt bis gar nicht. Für Journalisten deswegen fraglich, ob der aktuelle Funktionsumfang bei Mastodon eine intensive berufliche Nutzung sinnvoll erscheinen lässt. Wenn eine relevante Größe von Politik, Behörden, Promis dort nun nach und nach aufschlägt. Dann vermutlich ja. Bis dato aber eher nicht.
Mich findest du als @reddakteur@dresden.network auf der
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