Der Landtagswahlkampf in Sachsen wirft aktuell eine spannende Frage auf: dürfen Minderjährige abgebildet und bei Social Media gepostet werden. Die kurze Antwort: NEIN. Die lange Antwort: es ist etwas komplizierter, in der Regel sollte man aber besser verzichten.
Foto mit Kindern bei Wahlkampftermin gepostet
Im aktuellen Fall ist die Dresdner Grünenstadträtin und Sprecherin Susanne Krause an die Öffentlichkeit gegangen. Sie kritisiert bei Instagram ein Insta-Posting des CDU-Landtagsabgeordneten Martin Modschiedler. Der hatte bei einem Besuch mit Kulturministerin Klepsch (CDU) bei den Kruzianern und den Kapellknaben mehrere Fotos erstellt und in einem Carousel-Posting geteilt. Dabei sind auf einigen Bildern auch Kinder und Jugendliche bei der Chorprobe zu sehen. Nach der öffentlichen Kritik ist eines der Bilder rasch gelöscht worden. Herr Modschiedler entschuldigte sich in den Kommentaren unter dem Beitrag.
In diesem Beitrag war unter anderem ein Foto mit Kindern bei der Chorprobe. Nach Angaben von Susanne Krause war ihr Kind ohne Zustimmung abgebildet. Das Foto wurde nach ihrer Kritik später aus dem Beitrag entfernt. Generell gilt: Fotos von Minderjährigen dürfen in Social Media nur mit Zustimmung beider Erziehungsberechtigter (und des Kindes) veröffentlicht werden. Es gibt da nur wenige Ausnahmen. (Screenshot: instagram/martin_modschiedler)
Fotos von Kindern und Jugendlichen in Social Media nur mit schriftlicher Zustimmung der Eltern und des Kindes
Generell gilt: Fotos und Videos dürfen nur mit (im besten Fall schriftlicher) Zustimmung der abgebildeten Personen veröffentlicht werden. Bei Minderjährigen muss in der Regel die Zustimmung durch BEIDE (!) Erziehungsberechtigte erfolgen. Dabei spielt das Medium keine Rolle: egal ob auf einer Website oder in Social Media. Nur wenn die abgebildeten Personen und/oder ihre Erziehungsberechtigen der Veröffentlichung zustimmen und über den Zweck der Veröffentlichung und ihre Widerrufsrechte informiert wurden, ist eine Veröffentlichtung rechtssicher möglich.
Im Wahlkampf werden logischerweise viele Fotos produziert. Bei öffentlichen Veranstaltungen wie einem Wahlkampfauftritt auf einer Bühne oder einem großen Fest sind in der Regel Fotos unproblematisch, auch wenn dort im Hintergrund andere Personen zu sehen sind. Wenn diese nicht in Großaufnahme rangezoomt gezeigt werden, dann sind sie nur Beiwerk. Dann ist eine Veröffentlichtung ausnahmsweise möglich. Sobald aber eine Person oder ein Kind in Nahaufnahme zu sehen wäre, wäre wohl wieder die schriftliche Zustimmung zu empfehlen.
Auch Gastgeber/Träger in der Pflicht bei Fotos
Auch der Kreuzchor und die Kapellknaben, die in diesem Fall den Wahlkampftermin ermöglichten, sind bei einem solchen Fall in der Pflicht: sie haben den Raum geöffnet für einen Besuch, haben Fotos möglich gemacht. Generell holen sich derartige Institutionen (ähnlich auch wie Schule, Hort oder Sport-/ Tanzvereine) mit Anmeldung von Kindern auch Einwilligungen der Erziehungsberechtigten ein für Fotos, zum Beispiel für die eigene Öffentlichkeitsarbeit. Denn sonst wäre kein Konzert, kein öffentlicher Auftritt möglich, wo ja teilweise unzählige Fotos angefertigt werden. Bei Ereignissen der Zeitgeschichte und größeren öffentlichen Veranstaltungen sind zudem Gesamtaufnahmen auch durch Dritte wohl zulässig – Veröffentlichungen zumindest in der Presse sind in solchen Fällen ausnahmsweise möglich (§ 22 KUG).
Allerdings ist in dem konkreten Fall die Frage: war das eine öffentliche Veranstaltung? Vermutlich eher nicht. Und lag für solche Zwecke wie Wahlkampf / Politik-PR eine Einwilligung der Eltern und eine Widerrufsbelehrung vor? Davon ist nach Angaben Krauses nicht auszugehen. Die Gastgeber, in diesem Fall Kapellknaben/Kreuzchor sind zum Schutz ihrer Sänger verpflichtet. Dementsprechend müssten vermutlich nun auch die Chöre ihre internen Prozesse hinterfragen und ggf. einen Datenschutzverstoß anzeigen.
Empfehlung: so wenig Fotos mit Kindern wie möglich posten
Empfehlung für öffentliche Personen, Firmen, Vereine Träger und andere Institutionen: Im Zweifel bei einem Fachanwalt und ihrem Datenschutzbeauftragten Rat einholen und passende Prozesse implementieren. In der Regel ist es sinnvoll, ein standardisiertes Foto-Freigabe-Dokument zu haben, das für solche Zwecke immer sofort zur Hand ist.
Ich hatte zum Umgang mit Fotos von Kindern in Social Media bereits einen umfangreichen Fachartikel verfasst, der weiterführende wichtige Fragestellungen in diesem Kontext behandelt.
Abmahnung möglich, zudem Datenschutz gefragt
Welche Rechtsgüter im konkreten Fall durch wen verletzt werden, müssen Juristen beurteilen. Vermutlich könnte ein Verstoß gegen das Recht am eigenen Bild und gegen die DSVGO vorliegen. Denn nach Paragraph 22 des Kunsturhebergesetzes (KUG) dürfen Fotos grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Eine Abmanung wäre möglich, ebenso eine Prüfverfahren der Datenschutzbeauftragten.
Entschuldigung durch Politiker nach Posting
Im konkreten Fall hat Herr Modschiedler das betreffende Foto nach der Kritik rasch gelöscht. In den Kommentaren erläutert er, dass die Veröffentlichung erst nach Rücksprache mit der Hausleitung erfolgte: “Wir hatten von hier die Zusage, dass von allen Kindern eine allgemeine Fotoerlaubnis vorliegt. Daran haben wir uns orientiert. […] Selbstverständlich sind das Recht am eigenen Bild und die damit verbundenen Persönlichkeitsrechte ein hohes Schutzgut. Wir entschuldigen uns an dieser Stelle noch einmal ganz ausdrücklich für die Unannehmlichkeiten.”
Meiner Einschätzung nach eine gute und schnelle Reaktion. Der gesamte Vorgang zeigt: es ist kompliziert, häufig vom Einzelfall und den Rahmenbedingungen abhängig. Unabhängig davon ist es aber immer eine gute Idee, keine Kinderfotos in Social Media zu posten.
Transparenzhinweis: ich führe nebenberuflich Social Media Schulungen in Sachsen durch, u.a. in den vergangenen Jahren auch bei den Fraktionen der Grünen (im Stadtrat) und der CDU.
Titelbild/Symbolbild: Unsplash.com / Christian Wiediger
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